Legende & Geschichte
Die Propstei St. Gerold kann auf eine rund 1000-jährige, wechselvolle Geschichte zurückblicken.
Das Klösterlein hat im Laufe der Jahrhunderte Brandschatzungen, Zeiten materieller Entbehrung
und des Zerfalls wie auch Enteignungen überstanden.
Initiative und innovative Pröpste haben jedoch durch kluge Verwaltung die materiellen Güter des Klosters
immer wieder vermehrt und gesichert und auch die spirituelle Ausstrahlung der Propstei gestärkt
und zu neuer Blüte geführt.
Heute zeigt sich die Propstei St. Gerold als eine weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte
und geschätzte Perle benediktinischer Kultur und Gastfreundschaft.
Die Gerolds-Legende ...
... aus dem Jahre 1484 erzählt, dass Gerold - ein Herzog aus Sachsen - sich am Ort der heutigen Propstei als Einsiedler niedergelassen und hier in der Stille sein Leben der Gottsuche gewidmet hat.
Ein Bär soll sein Weggefährte gewesen sein, wohl ein Bild dafür, dass der heilige Gerold im Einklang mit der Schöpfung gelebt hat.
Hugo Imfeld, ein langjähriger Freund der Propstei, hat den hl. Gerold mit dem Bären eindrucksvoll in einer lebensgrossen Bronzeskulptur dargestellt.
1684 hat Bruder Fridolin Dumeisen aus dem Kloster Mariastein (CH) die Geroldslegende auf zehn große Bildtafeln gemalt. Der schöne Bildzyklus ist in der Geroldgedenkstätte zu sehen.
Unklare Anfänge
Die Quellenlage zu den Anfängen der Propstei St. Gerold ist spärlich. Urkunden über die Propsteigründung existieren nicht; diese wurden wahrscheinlich bei einem Brand der Propstei im Jahre 1311 vernichtet. Rückschlüsse auf die im Dunkeln liegende Gründungsgeschichte ermöglichen die Legende aus dem Jahre 1484, zwei Urkunden aus den Jahren 1227 und 1285 sowie die Patrozinien-Geschichte des ursprünglichen Klösterleins.
Eine zum Teil erhaltene Steinkirche und ein in diesen Bau eingemittetes Kastengrab aus romanischer Zeit deuten darauf hin, dass die Geschichte der Propstei mit einem Eremiten begonnen hat, der wohl im 11. Jahrhundert an der Stelle der heutigen Propstei gelebt hat und offensichtlich verehrt worden ist.
Urkundlich erscheint die Propstei erstmals 1227 in einem Güterverzeichnis des Stiftes Weißenau bei Ravensburg. Es wird erwähnt, dass nebst dem Propst auch sein Bruder mit seiner Frau und den drei Söhnen hier gelebt haben und diese hier auch zur Schule gegangen sind.
Im 13. Jahrhundert gelangte die Propstei St. Gerold an das Kloster Einsiedeln. 1285–1290 wirkte der erste, nachweislich aus dem Kloster Einsiedeln stammende Propst in St. Gerold.
Wechselvolles Mittelalter
1311 wurden bei einer Fehde zwischen zwei Adelsfamilien, die sich um die Vogteirechte über die Propstei, d.h. um die Schutzherrschaft über das Kloster stritten, Kirche, Kapelle und Propsteigebäude stark beschädigt.
Anschliessend folgte eine Zeit der Konsolidierung. Die Pröpste erwarben im 14. und 15. Jh. neue Güter und mehrten den materiellen Besitz der Propstei. Durch den Schwabenkrieg 1499 wurden die Landgüter der Propstei jedoch arg in Mitleidenschaft gezogen.
Blüte in der Neuzeit
Im 16. Jahrhundert haben die Pröpste materiell und spirituell viel in die Propstei investiert: Es wurden die Gebäulichkeiten erweitert, die Kirche sowie die Kapelle vergrößert und die Verehrung des hl. Gerold gestärkt. Zu jener Zeit erhielt die Propsteianlage ihr heutiges Gesicht.
Erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jhs. bildete sich um den Propst allmählich eine kleine klösterliche Gemeinschaft. Bis dahin lebte der Propst als Stellvertreter des Klosters Einsiedeln meist alleine mit mehreren Bediensteten für Haus und Landwirtschaft in der Propstei.
Im Frühjahr 1779 wurde die Pfarrei St. Gerold errichtet und ein Kooperator – ein Mitarbeiter des Propstes – bestimmt, der für die Seelsorge zuständig war.
19. und 20. Jahrhundert
1802, im Rahmen des Reichsdeputationshauptschlusses von Regensburg, hat man die Propstei dem Kloster Einsiedeln enteignet. Nach jahrzehntelangen Bemühungen gelang es Einsiedeln, die Propstei am 12. Dezember 1839 mit einem Teil der dazugehörigen Gütern zurückzukaufen.
Es folgten engagierte Jahre vor dem großen Niedergang: Man hat das Wyberhus umgebaut, das Refektorium erneuert, die Kirche restauriert und eine neue Orgel installiert. Weiter wurde eine neue Säge im Dorf erstellt, ein eigenes Elektrizitätswerk geschaffen und ein Telefonanschluss für das Tal beantragt und eingerichtet.
Mit den beiden Weltkriegen folgten jedoch Jahre des Stillstands und des allmählichen materiellen Zerfalls. Der gesamte Grundbesitz war verpachtet und die Einsiedler Patres wurden als unerwünschte Ausländer ausgewiesen. 1947 konnten einige Mitbrüder in die Propstei zurückkehren und brachten neues Leben in die halb zerfallenen Gemäuer.
Pater Nathanael Wirth
Am 15. September 1958 kommt Pater Nathanael Wirth nach St. Gerold. Der junge Vikar der Pfarrei Einsiedeln hat sich so verausgabt, dass er vom Abt zur Erholung nach Vorarlberg geschickt wird. Was als Erholungszeit gedacht war, dauert schließlich über fünfzig Jahre. In St. Gerold trifft Pater Nathanael eine unter den Kriegsfolgen leidende, verwahrloste Klosteranlage an. Ein paar ältere Mitbrüder pflegen hier «otium cum dignitate» – «Muße mit Würde» und zwei treue Dienerinnen, Lisa und Klementine, halten Küche, Haus und Garten in Schwung. Da der damalige Propst, Pater Iso Schlumpf, wenige Wochen später krank wird, schaut der junge Pater Nathanael dafür, «dass der Karren läuft». Nach zwei Jahren erhält er ein Schreiben des Abtes, adressiert an «Propst Pater Nathanael». Jetzt ist ihm klar, dass er nun für die Propstei verantwortlich ist.
2009 übernahm P. Kolumban Reichlin die Verantwortung für die Propstei. Er engagierte sich in der baulichen und betrieblichen Sicherung der Propstei. Die Gastronomie wurde erneuert und die Zimmerkapazität erhöht. Die Herberge und der Hof tragen seine Handschrift.
Seit August 2020 ist P. Martin Werlen der Propst von St. Gerold. Er leitet diese Oase im Team mit der Betriebsleiterin Nathalie Morscher und dem Bereichsleiter David Ganahl.
